Digitaler Wandel und die Strukturen der Berufausbildung
02.10.2020
Am 2. Oktober 2020 rief der VDZI zum 2. Dentalen Berufsbildungsgipfel auf. Damit knüpfte der VDZI an den 1. Gipfel vom November letzten Jahres an. Unter dem Motto "Auf dem gemeinsamen Weg - die Berufsbildung dem strukturellen und digitalen Wandel anpassen" diskutierten Vertreter der Berufs- und Meisterschulen und andere Experten über die strukturellen und organisatorischen Konsequenzen der Digitalisierung: Wie kann die dentale Aus- und Fortbildung davon profitieren? Wie werden/können die Berufs- und Meisterschulen der Zukunft aussehen? Welchen Einfluss hat der Wandel auch auf die Berufsbildungsstrukturen?
1. Hybrider Gipfel
Aufgrund der noch anhaltenden Kontaktbeschränkungen beschloss der VDZI die Veranstaltung dieses Jahr als Hybrid-Veranstaltung durchzuführen. Das heißt, der Gipfel fand mit den Referierenden und Diskussionsteilnehmern in Berlin statt, während die Gäste sich online zu der Liveübertragung der Veranstaltung dazuschalten konnten. Insgesamt folgten 55 Teilnehmer aus den Innungen, Lehre, Verbänden, Industrie und Presse dem Event.
VDZI-Präsident Dominik Kruchen, VDZI-Vorstandsmitglied und VDZI-Beauftragter für die Aus- und Weiterbildung Heinrich Wenzel und VDZI-Generalsekretär Walter Winkler nahmen im Meistersaal des ZDH in Berlin teil. Moderiert wurde der Gipfel von ZTM und Vorstandsmitglied der Zahntechniker-Innung Köln Thomas Bartsch.
Referent Markus Lensing, Berufsschullehrer an dem Albrecht-Dürer-Berufskolleg in Düsseldorf und Mitglied in der Berufsschule-Arbeitsgruppe der Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft Zahntechnik e.V. (PAZ), referierte live aus dem Berufskolleg.
In seiner Begrüßungsrede sprach Präsident Kruchen von den einschneidenden Veränderungen in der Berufsbildung und blickte auf den 1. Gipfel im November letzten Jahres zurück. „Damals hat noch niemand daran denken können, welche einschneidenden Veränderungen unser Land gepackt hat und wie wichtig eine solche Konferenz sein würde, um neben der normalen Entwicklung auch über die Folgen von Corona für die berufliche Bildung diskutieren zu können.“ Präsident Kruchen wiederholte seine Forderung, dass die berufliche Bildung der akademischen Ausbildung gleichgestellt werden muss und mahnte, dass den Betrieben zuviel Kosten auferlegt würden.
„Der ursprüngliche Dreiklang bei der Finanzierung in der Dualen Ausbildung muss wiederhergestellt werden. Bund und Länder haben hier in den letzten Jahren den Betrieben viel zu viele Kosten aufgebürdet“, kritisierte er. Durch die Corona bedingten Sicherheitsmaßnahmen und Umsetzung von Hygienekonzepten explodierten die Kosten in den Betrieben als auch Bildungseinrichtungen, während im Gegenzug jedoch die jeweiligen Zuschüsse pro Kursteilnehmer sanken. Folgend geraten auch die Träger von solchen Bildungseinrichtungen in eine finanzielle Schieflage, so Kruchen. Der VDZI fordert die zuständigen Landesregierungen auf, ihre Förderbedingungen diesen Schwierigkeiten anzupassen.
„Der ursprüngliche Dreiklang bei der Finanzierung in der Dualen Ausbildung muss wiederhergestellt werden. Bund und Länder haben hier in den letzten Jahren den Betrieben viel zu viele Kosten aufgebürdet“, kritisierte er. Durch die Corona bedingten Sicherheitsmaßnahmen und Umsetzung von Hygienekonzepten explodierten die Kosten in den Betrieben als auch Bildungseinrichtungen, während im Gegenzug jedoch die jeweiligen Zuschüsse pro Kursteilnehmer sanken. Folgend geraten auch die Träger von solchen Bildungseinrichtungen in eine finanzielle Schieflage, so Kruchen. Der VDZI fordert die zuständigen Landesregierungen auf, ihre Förderbedingungen diesen Schwierigkeiten anzupassen.
Ausbildung im Wandel
Einen Überblick über die Entwicklung und aktuellen Ausbildungszahlen präsentierte Heinrich Wenzel, VDZI-Vorstandsmitglied und VDZI-Beauftragter für die Aus- und Weiterbildung, in seinem Impulsvortrag. Die sinkende Anzahl an Auszubildenden, Lehrern und Ausbildungsbetrieben stellt den Ausbildungsberuf ZahntechnikerIn vor neue Herausforderungen.
Entwicklung der Auszubildendenzahlen
Ein Blick in die Vergangenheit zeigte, dass die Anzahl der jährlich neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge von ehemals circa 3.900 im Jahr 1997, über das Jahr 2004 mit circa 2.900 bis 2018 auf 1.900 zurückgegangen ist. Das heißt, die Ausbildungsverträge haben sich seit 1997 fast halbiert. In den letzten 3 Ausbildungsjahrgängen - 2017 bis 2019 blieb die Zahl der Auszubildenden stabil mit einer leicht sinkenden Tendenz. Die Zahl der Ausbildungsstätten reduzierte sich seit 1997 von ehemals
circa 5.200 auf derzeit circa 2.500 Ausbildungsbetriebe.
circa 5.200 auf derzeit circa 2.500 Ausbildungsbetriebe.
Unausgelastete Berufsschulstandorte
Während die Ausbildungszahlen sich fast halbierten, ist das standorttreue Beschulungsangebot nahezu flächendeckend erhalten geblieben. Bundesweit gäbe es bereits Schulstandorte mit weniger als 10 Schülern je Jahrgang mit abnehmender Tendenz, informierte Wenzel. Die Bereitschaft der zuständigen Schulträger, notwendige Investitionen für Kleinstklassen zu generieren, sinkt sagte Wenzel und stellte die Fragen in den Raum: Benötigen wir in der Nähe jeder Ausbildungsstätte eine Berufsschule? Oder ist die Konzentration der schulischen Ausbildung in zeitgemäß ausgestatteten Lehrstätten eine mögliche Alternative? Klar ist, so Wenzel, dass die Strukturen der beruflichen Bildung sowohl im gesellschaftlichen als auch technologischen Wandel auf den Prüfstand müssen. Er appellierte, dass wir uns auf die technologischen Veränderungen und Möglichkeiten moderner Berufsbildung nicht nur einstellen, sondern zusammen konkrete Möglichkeiten finden und diese zusammen umsetzen müssen.
„Digitaler Unterricht – Berufsschule (nicht nur) in Corona-Zeiten“
Aus der Sicht des Berufsschullehrers schilderte im Anschluss Markus Lensing seine Erfahrungen. Seit fast 25 Jahren ist er Lehrer an dem Albrecht-Dürer-Berufskolleg in Düsseldorf und führt die pädagogische Leitung der Ständigen Arbeitsgruppe der Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft Zahntechnik e.V. (PAZ).
Unterricht während des Corona-Lockdowns: „Eine Herausforderung pädagogischer, didaktischer, medientechnischer und rein technischer Art.“
Unterricht während des Corona-Lockdowns: „Eine Herausforderung pädagogischer, didaktischer, medientechnischer und rein technischer Art.“
Die Durchführung von Distanzunterricht war sowohl Lehrern als auch Schülern absolut neu und stellte Lehrende und Lernende vor neue Herausforderungen. Von 0 auf 100 in kürzester Zeit, die Lernkurve war steil, berichtete Lensing. Anfangs sind die Server zusammengebrochen, Lehrern und Schülern fehlte es zu Beginn an Medienkompetenz. Der Berufsalltag der Lehrer sah auf einmal ganz anders aus: Statt in den Klassen zu unterrichten, saß der Lehrer nun am Schreibtisch, beschreibt er. Von dort wurden Aufgaben korrigiert, Schüler online beraten oder man berat und half sich in der Lehrerschaft untereinander mit der Erstellung und Vorbereitung von digitalen Unterrichtsmaterialien und -methoden.
Mit dem Lernmanagement-System Moodle (LMS), einer freien Lernsoftware, wurden Unterrichtsprojekte komplett auf den Distanzunterricht verlegt. Statt 4 Tage Präsenzunterricht gab es Lernvideos und interaktive Übungen für die Schüler. Über das System können Aufgaben sowohl verschickt werden als auch seitens der Schüler hochgeladen und anschießend von den Lehrern kontrolliert und bewertet werden, informierte Lensing. Zudem wurden via E-Mail Aufgaben verschickt, eingesammelt und Feedback dazu gegeben.
Mit dem Lernmanagement-System Moodle (LMS), einer freien Lernsoftware, wurden Unterrichtsprojekte komplett auf den Distanzunterricht verlegt. Statt 4 Tage Präsenzunterricht gab es Lernvideos und interaktive Übungen für die Schüler. Über das System können Aufgaben sowohl verschickt werden als auch seitens der Schüler hochgeladen und anschießend von den Lehrern kontrolliert und bewertet werden, informierte Lensing. Zudem wurden via E-Mail Aufgaben verschickt, eingesammelt und Feedback dazu gegeben.
Ergänzt wurde der Unterricht mit der Nutzung des von ihm geschaffenen online Lehrbuch „wikidental“. „Mit tools wie diesen können wir die Schüler abholen, wo sie sind und auf verschiedenen Kompetenz Leveln arbeiten“, so Lensing. Interessierte rief er auf am online Lehrbuche zu partizipieren. Als problematisch erweist sich im Distanzunterricht jedoch, dass nicht jeder Schüler über ein digitales Endgerät verfügt, um am digitalen Unterricht partizipieren zu können.
Ein Ausblick: Digitales Lernen - was bleibt nach dem Lockdown?
„Die Digitalisierung eröffnet Möglichkeiten, wir sind daran gewachsen, aber wir mussten und müssen noch viel lernen“, offenbarte Lensing. Das Lernen mit dem LMS wird bleiben. „Klassen-Videokonferenzen“, d.h. live Übertragungen des Unterrichts fanden und finden nach wie vor via Moodle für Schüler statt, die nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können, berichtete Lensing. Der Präsenzunterricht jeder Klasse wird mit dem LMS organisiert. Zum einen, um vor einen erneuten möglichen Lockdown gewappnet zu sein, zum anderen um Schülern, die nicht am Unterricht partizipieren können, dieses zu ermöglichen. Unser Ziel ist, dass das digitale Unterrichten so asynchron wie möglich und so synchron wie nötig ablaufen wird, d.h. dass die Schüler jederzeit Zugang zu den Lernmaterialien haben, sagte Lensing.
Fazit: Digitales Lernen muss noch mehr gefördert werden - Mehr Medienkompetenz und technische Ausstattung für Lehrer und Schüler
„Die Digitalisierung erfolgt in rasender Geschwindigkeit, da müssen wir mithalten, deswegen muss die Digitalisierung ein direkter Bestandteil der Ausbildung sein, von Anfang an“, forderte Lensing. Dazu gehöre die im Lehrplan vorgesehene Medienkompetenz und die Anwendung und Sicherheit von digitalen Systemen. Es müssen Grundvoraussetzungen für das digitale Lernen geschaffen werden. Dazu gehöre die technische Ausstattung und der Umgang mit den Medien ebenso dazu, wie die Akzeptanz für den Distanzunterricht. Trotz aller digitaler Errungenschaften hält Lensing jedoch den Präsenzunterricht für unersetzbar. Die dabei menschliche Zuwendung, Kommunikation von Auge zu Auge und die Möglichkeit zu interagieren ist notwendig, aber sollte digital begleitet werden.
Digitales Lernen in den Berufsschulen – vor und nach dem Lockdown – Auszubildende berichten
Svenja Manthey, Auszubildende im 2. Lehrjahr @ Dental-Studio Dörte Thie und Paula Sue Konrad Auszubildende im 3. Lehrjahr @ Zahntechnik Bestensee berichteten über Ihre Lernerfahrungen während der Corona-Pandemie.
Beide Auszubildenden erzählten, dass an Ihrer Berufsschule in Potsdam und in Berlin während des Lockdowns mit E-Learning Plattformen gearbeitet wurde. Die Lehrer stellten dort Lernblätter, Abbildungen und Aufgabenblätter online, die die Schüler abrufen, bearbeiten und zur Lernkontrolle hochladen sollten. Technische Schwierigkeiten wie die Überlastung der Plattform und der Tatsache, dass nicht alle Schüler über Endgeräte verfügten, waren die gravierendsten Probleme.
Am meisten fehlte den Azubis der direkte Austausch mit den Lehrern, wie z. B. alternativ in Form eines online Chats mit den Lehrern möglich gewesen wäre, schlug Konrad vor. Positiv wurde gewertet, dass Lernmaterialien digital online zur Verfügung gestellt wurden, auf die die Schüler jederzeit Zugang hatten.