Berufsausbildung durch die Einführung von neuen Fortbildungsstufen gestärkt
08.07.2020
Kommentar von Heinrich Wenzel, VDZI-Vorstandsmitglied und Beauftragter für die Aus- und Fortbildung
Mit dem Berufsbildungsmodernisierungsgesetz (BBiMoG), das zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, sind 3 Fortbildungsstufen oberhalb der Ausbildungsebene beschlossen worden: der „Berufsspezialist“, der „Bachelor Professional“ und der „Master Professional“.
Heinrich Wenzel, Vorstandsmitglied und Beauftragter für den Bereich Aus- und Weiterbildung im Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) erläutert die Hintergründe, warum diese Fortbildungsstufen eingeführt wurden und welche Auswirkungen die Abschlüsse für die Ausbildung haben.
Das Ziel der neuen Fortbildungsstufen
„Berufsspezialist“, „Bachelor Professional“ und „Master Professional“ ist es, berufliche Qualifikationen und Kompetenzen in Europa vergleichbarer zu machen. Deutschland ist neben der Schweiz und Österreich eines der wenigen Länder, in denen „dual“, d.h. im Betrieb als auch in der Berufsschule, ausgebildet wird. Der Großteil der Berufsausbildung in Europa findet in einer rein schulischen Ausbildungsform statt.
Die Bildungsminister der Europäischen Union und das Europäische Parlament haben daher mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) ein Bezugssystem beschlossen, dessen Ziel es ist, zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit von Kompetenzen und Qualifikationen in Europa beizutragen. Der EQR sollte in allen Ländern der EU durch nationale Regelungen umgesetzt werden, die die Spezifik der jeweiligen nationalen Bildungssysteme berücksichtigt. Die Umsetzung in Deutschland erfolgte mit dem DQR, dem Deutschen Qualifikationsrahmen. Entwickelt wurde er gemeinsam mit Bund, Ländern und Sozialpartnern.
Insgesamt gibt es 8 Qualifizierungsniveaus, die den gängigen Qualifikationen der Berufsbildungs- und Hochschulabschlüsse zugeordnet werden. Damit werden erworbene Qualifikationen einem Ausbildungsniveau zugeordnet. Dieses beschreibt, was Absolventen nach einer Aus- oder Weiterbildung oder einem Hochschulstudium wissen und können sollten.
Eine 3-jährige, bzw. 3 1/2-jährige berufliche Erstausbildung, z.B. als Geselle im Zahntechniker-Handwerk, ist demnach Niveau 4 zugeordnet. Ein Abschluss als Meister oder Techniker eines Handwerksberufes entspricht Niveau 6, also dem Niveau eines akademischen Bachelor-Abschlusses (siehe Grafik unten).
Meister bleibt Meister - Neue Zusatzbezeichung "Bachelor Professional"
Mit der Einführung des „Bachelor Professional“ dürfen nun alle Meister zusätzlich diesen Titel nutzen, d.h. sich im Falle des Zahntechnikers „Zahntechniker-Meister Bachelor Professional“ im Zahntechniker-Handwerk nennen. Beide Abschlüsse sind gleichwertig, aber was uns als Zahntechniker-Handwerk sehr wichtig ist, ist dass der Titel „Meister“, der für Qualität und Vertrauen steht, erhalten bleibt. Durch die berufliche Abschluss-bezeichnung „Professional“ wurde eine Differenzierung zu den hochschulischen Abschlüssen gewählt.
Zusätzlich wurde die neue Bezeichnung „Master Professional“ für Fortbildungsabschlüsse auf DQR Niveau 7 festgelegt. Ein Beispiel: Besucht ein Zahntechnikermeister eine Fortbildung, um den Abschluss „geprüfter Betriebswirt“ zu erlangen, um sich z.B. betriebswirtschaftlich stärker für die Herausforderungen einer Selbstständigkeit oder Betriebsleitung zu qualifizieren, erhält er somit den zusätzlichen Titel „Zahntechniker-Meister Master Professional“. Die Bezeichnung darf jedoch nur geführt werden, wenn der Fortbildungsabschluss nach Einführung des Gesetzes am 1. Januar 2020 erfolgt ist. Die Vorbereitungslehrgänge werden von den jeweiligen Akademien des Handwerks der Handwerkskammern durchgeführt.
Der EQR und seine Umsetzung in den nationalen DQR bietet insbesondere für die Absolventen der dualen Berufsausbildung große Chancen. Die Transparenz der in Deutschland erworbenen Fähigkeiten, insbesondere im dualen Ausbildungssystem, wird damit europaweit erhöht. Damit ist eine verbesserte Vergleichbarkeit durch eine gegenseitige Anerkennung von Leistungen in den jeweiligen nationalen Bildungssystemen möglich. Das hilft Bewerbern, aber auch Personalverantwortlichen, berufliche Kompe-tenzen europaweit besser bewerten zu können, aber noch fehlt es dem DQR an Bekanntheit in Europa.
Gleichwertigkeit zwischen Dualer Berufsausbildung und Akademischer Hochschulausbildung
Die Duale Ausbildung wurde als Ausbildungsweg lange unterschätzt und erfuhr zu wenig Anerkennung. Die Jugendarbeitslosigkeit (15-24-jährige) ist in Deutschland im europäischen Vergleich mit 5,6% gerade aufgrund unseres renommierten dualen Ausbildungssystems niedrig [Durchschnitt Jugendarbeitslosigkeit in Europa 15,2% (Statista, 03/2020)]. Ausbildungsstatistiken zeigen leider jedoch, dass die Anzahl der Studierenden in den letzten Jahren stark zugenommen hat und die Zahl der Ausbildungsanfänger in einigen Ausbildungsberufen stagniert oder sich sogar reduziert hat.
Um das Interesse an handwerklichen Berufen wie den des Zahntechnikers zu wecken, müssen die Karrierechancen und Fortbildungsmöglichkeiten noch deutlicher herausgestellt und auch stärker finanziell gefördert werden. Hier ist insbesondere die Politik gefordert, gleiche Voraussetzungen für den Einstieg in die Handwerksausbildung wie für die Studienanfänger zu schaffen. Das Handwerk und insbesondere das Zahntechniker-Handwerk bieten hervorragende berufliche Entwicklungs- und Verdienstchancen, beispielsweise durch die Selbständigkeit als Zahntechnikermeister und/oder einer Höherqualifizierung als geprüfter Betriebswirt des Handwerks in Führungsposition. So kann ein Geselle mit DQR 4 Qualifikation mit dem Erwerb des Betriebswirts auf DQR Niveau 5 aufsteigen.
Die neuen Fortbildungsabschlussbezeichnungen sind ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Berufsausbildung und werden seitens des VDZI positiv bewertet.
Für alle Schüler und Absolventen im dualen Ausbildungssystem sind die neuen Bezeichnungen ein wichtiges Signal der Anerkennung ihrer Leistung, denn sie bringen ihr hohes berufliches Qualifikationsniveau zum Ausdruck. Die Bezeichnungen setzen damit ein wichtiges Signal für die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung in Europa. Zusätzlich werden die Mobilitäts- und Karrierechancen der Absolventen gestärkt.
Wichtig ist es aber, dass die aufeinander aufbauenden Weiterqualifizierungen wie der „Bachelor Professional“ und „Master Professional“ den gleichen Stellenwert erhalten wie eine akademische Hochschulausbildung.
Abschlüsse der beruflichen Fortbildung stehen den Hochschulabschlüssen nun gleichwertig gegenüber. Leider besteht aber noch keine „Gleichartigkeit“ der Abschlüsse, zum Beispiel bezüglich der Hochschulzugangsberechtigung. Ein „Zahntechniker-Meister Bachelor Professional“ hat keine direkte Zugangsberechtigung für ein Masterstudium.
Aufgrund fehlender Gleichartigkeit muss der Zahntechnikermeister, obwohl er mit dem DQR 6 Niveau dem Bachelor gleichgestellt ist, erst einen akademischen Bachelorabschluss erlangen. Bereits hier besteht dringender Handlungsbedarf, da die Durchlässigkeit nicht gegeben ist. Ziel muss es außerdem sein, durch eine staatliche Förderung die Berufsausbildung der Hochschulbildung anzugleichen. Vor diesem Hintergrund begrüßt der VDZI ebenfalls, dass im neuen Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) ein Anspruch auf Aufstiegs-BaföG für alle 3 Stufen der Höheren Berufsbildung eingeführt werden soll. Das setzt ein positives Signal an alle, die eine berufliche Karriere im Handwerk anstreben.