"Gute Maßnahmen werden dann gefunden, wenn man die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet"
23.02.2022
Der verantwortungsbewusste Umgang mit unseren endlichen Ressourcen prägt nicht erst seit gestern unser berufliches Leben. Mülltrennung und Müllvermeidung sowie Energieeinsparung sind hier wichtige Aspekte, die auch in der Arbeitswelt von immenser Bedeutung sind. Um das Thema Nachhaltigkeit im zahntechnischen Labor konkreter zu fassen, hat sich Zahntechnik TELESKOP hierzu mit Wilhelm Schreier, Inhaber der Wilhelm Schreier Dental-Labor GmbH in Kerpen, zusammengesetzt. Wilhelm Schreier verrät im Interview, warum man auf nachhaltiges Arbeiten im Labor setzen sollten und mit welchen kleinen Tricks Ressourcen und Kosten gleichermaßen eingespart werden können. Seit wann sich das Unternehmen so aktiv für den Umweltschutz einsetzt, bringt Sohn Philipp auf den Punkt: „Das erste Projekt, bei dem die Nachhaltigkeit im Mittelpunkt stand, war Mitte der 1980er Jahre der Umstieg auf bleifreies Benzin für den Fuhrpark des Labors. Der Nissan Cherry war damals eines der ersten Autos, der diesen Kraftstoff vertragen hat. Damals wurde mein Vater noch dafür belächelt.“
Im privaten Bereich trennen wir unseren Müll und leisten so einen großen Beitrag zum Umweltschutz. Warum soll man das auch noch am Arbeitsplatz tun und insbesondere im Labor?
Wilhelm Schreier: Grundsätzlich sprechen die gleichen Gründe wie im privaten Bereich für die Mülltrennung. Unternehmen produzieren tendenziell mehr Müll als der Privathaushalt, daher hat eine Mülltrennung hier natürlich auch einen entsprechend größeren Effekt. Zahntechnische Labore im Speziellen verarbeiten hochwertige Materialien, von denen sich einige gut recyceln lassen. Nehmen wir beispielsweise edelmetallfreie Legierungen. Sie bestehen bekanntlich zum größten Teil aus Kobalt. Ein Rohstoff, der immer begehrter wird, während sein Abbau aus ethischen Gründen umstritten ist. Wir sammeln Gusskegel und Ronden, und mit Hilfe eines Cyclon Abscheiders auch Späne, um diese an Firmen weiterzureichen, die diesen Abfall wieder aufbereiten können. Am besten geht das mit den Ronden, denn sie können wieder eingeschmolzen werden und zu gleichwertigen neuen Ronden verarbeitet werden. Schwieriger ist es bei den Spänen, denn sie sind oft verunreinigt. Aber auch sie können aufgeschmolzen werden und als Teil einer Hartmetalllegierung, zum Beispiel für Bagger-Werkzeuge, ein neues Leben finden.
Wie effektiv sind die „kleinen Schritte“ zu mehr Nachhaltigkeit im Labor, beispielsweise elektrische Geräte nur bei Gebrauch einzuschalten etc.?
Wilhelm Schreier: Den Noflame oder das Handstück für zwei Minuten auszuschalten, während man zum Drucktopf geht, mag keinen großartigen Effekt haben. Man unterschätzt aber leicht die schiere Menge solcher „kleinen Schritte“. Nimmt man sie alle zusammen, so machen sie einen erstaunlich großen Teil der gesamten Maßnahmen aus.
Was bringt Nachhaltigkeit im Labor den Mitarbeitern, dem Inhaber, der Gesellschaft und der Umwelt?
Wilhelm Schreier: Ein nachhaltiges Handeln bringt im Endeffekt eine sicherere Zukunft, für alle. Den Akteuren im Labor bringt es außerdem ein gutes Gewissen.
Wie kann man sich und andere animieren, sein Arbeiten und Handeln zu überdenken sowie gegebenenfalls zu ändern? Gibt es Tricks, Nachhaltigkeit im Labor selbst voranzutreiben?
Wilhelm Schreier: Andere zu animieren, anders zu handeln, ist immer schwierig. Ein guter Weg ist, unserer Meinung nach, die Aufklärung. In erster Linie nicht darüber, was alles Schlimmes passieren kann, wenn wir nicht umdenken. Sondern welche positiven Effekte bestimmte Maßnahmen, die wir treffen können, haben. So etwas immer wieder zu thematisieren kann ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit schaffen.
Welche Mehrkosten entstehen eventuell durch Nachhaltigkeit im Labor?
Wilhelm Schreier: Viele Maßnahmen zur Nachhaltigkeit reduzieren gleichzeitig die Kosten im Labor. Während das bleifreie Benzin in den 80ern noch teurer war als der konventionelle Kraftstoff, spart unser rein elektrischer Fuhrpark heute im Vergleich zu selbst sparsamen Verbrennern jedes Jahr viel Geld in Form von Energie-Kosten (Kraftstoffe/Strom), Reparaturen sowie Steuern ein.
Was empfehlen Sie Laborinhabern, um Nachhaltigkeit im zahntechnischen Labor umzusetzen?
Wilhelm Schreier: Für Laborinhaber sind die attraktivsten Maßnahmen wohl diejenigen, welche gleichzeitig die Kosten im Labor reduzieren: effizienter Materialverbrauch, energieeffiziente Geräte, Elektroautos, Solaranlagen etc. Danach folgen die Maßnahmen, welche ohne großen Mehraufwand umgesetzt werden können, die Mülltrennung ist ein Beispiel. Wir finden es darüber hinaus wichtig, die Nachhaltigkeit unter den Kollegen häufig zu thematisieren. Gute Maßnahmen werden dann gefunden, wenn man die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.
Wenn Sie auf Ihre bisherigen Projekte zur Nachhaltigkeit zurückblicken, welches hatte den stärksten positiven Effekt und warum?
Wilhelm Schreier: Den stärksten Effekt hatte wohl eine Kombination von zwei Projekten. Zum einen haben wir die gesamte Dachfläche des Labors sowie eines Carports mit Solaranlagen bestückt. Diese liefern im Jahr etwa die gleiche Menge Strom, welche das Labor auch benötigt. Weil sie den Strom aber nicht immer zur richtigen Zeit liefern, müssen wircirca die Hälfte des generierten Stromes einspeisen beziehungsweise wieder aus dem Netz beziehen. Zum anderen sind wir mit dem Fuhrpark auf Elektroautos umgestiegen. Elektroautos sind wie für den Fuhrpark eines Dentallabors gemacht, der viele Kilometer im Jahr auf vielen kurzen Strecken sammelt. Die Kombination ist deshalb so effektiv, weil wir durch den Fuhrpark mehr Strom aus den Solaranlagen zur richtigen Zeit verbrauchen können und dadurch sind die Energiekosten für den Fuhrpark deutlich geringer.
Was sind Ihre nächsten Projekte zur Nachhaltigkeit?
Wilhelm Schreier: Gerade stehen wir im Kontakt mit einem Studenten der Technischen Hochschule Köln, welcher im Rahmen seines Energiemanagement-Lehrgangs eine Energieanalyse in unserem Dentallabor vornimmt. Das Ganze hat sich durch eine Fortbildung zur Energieeffizienz durch Prof. Dr.-Ing. Markus Stockmann, an der wir im letzten Jahr teilgenommen haben ergeben. Bisher hat sich herausgestellt, dass es noch Verbesserungspotenzial unseren Wärmehaushalt betreffend gibt. Auch überprüfen wir den Stromverbrauch bestimmter Geräte im Labor, um Energiefresser ausfindig zu machen. Außerdem haben wir vor, den Energieverbrauch des Fuhrparks mit Hilfe von elektrischen Leichtfahrzeugen (z.B. Microlino 2.0) in Zukunft noch weiter zu reduzieren.
Auf welche Förderinstrumente-/Möglichkeiten haben Sie in der Vergangenheit zurückgegriffen bzw. wo haben Sie sich zum Thema Nachhaltigkeit beraten lassen?
Wilhelm Schreier: Wir haben unter anderem folgende Förderungen in Anspruch genommen: KfW Förderung für Photovoltaik-Anlagen, Umweltbonus für Elektrofahrzeuge, Förderung von energieeffizienten Geräten des Landes NRW (Schrauben Kompressor). Die Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Aspekt des Umweltschutzes (und umgekehrt). Viele Infos stellen Umweltschutz-Organisationen wie Greenpeace, WWF, BUND, NABU, Urgewald, Solarenergie Förder-Verein SFV, Robin Wood, das Umwelt-Institut München, Bürger-Energie-Berlin und viele Weitere zur Verfügung. Wie bereits erwähnt haben wir an einer Fortbildung zur Energieeffizienz teilgenommen und lassen uns von Prof. Dr.-Ing. Markus Stockmann von der TH-Köln und einem seiner Studenten beraten. Zudem ist ein großer Teil eigene Recherche.
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